Rede zum Haushalt 2020

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates,

einige von Ihnen kennen vielleicht noch den Song „The train, they call The City of New Orleans“ von Arlo Guthrie, einen Zug, den man die „City von New Orleans“ nannte.

Coesfeld bekommt endlich einen neuen Bahnhof. Ein neuer Bahnhof also - aber was macht unser Zug, den wir mal in Anlehnung an den Song „Stadt Coesfeld“ nennen? Offensichtlich kommt er nicht so richtig in Fahrt, liegt es am Lokführer Öhmann oder an der Technik?

Moderne Lokomotiven bestehen aus zwei wichtigen Komponenten: einem Motor, einer sog. TPU, einer Train-Power-Unit, die den Zug in Fahrt bringen soll und einer Bremseinrichtung, genannt, Central slow Down Unit, abgekürzt also CDU.

War es ein Wunder oder kann man es als plötzliches Bremsversagen der mit gleichem Kürzel operierenden Stadtratsfraktion bezeichnen, dass im November 2013 trotzdem mit einstimmigem Votum ein Strategiepapier 2025 auf die imaginären Schienen gestellt wurde.

Ein kleiner Auszug daraus:

- Wohnungsangebote für Senioren und Singles
- positive Entwicklung des Handels in der Stadt und eine attraktive Innenstadt
- eine Aufenthaltsqualität auf dem Marktplatz, in der Fußgängerzone, im Stadtpark
- Stärkung der Innenstadt als Wohn-, Handels-, aber auch als Kultur- und Eventstandort!

Und die Realität? Keine Kulturnacht mehr, Stadtmarketing ohne Vorsitz, Leerstände in der Innenstadt, etc. Bei den alljährlich statt findenden gleichen Events denkt man immer: Schublade auf: „Frühlingsfest ´raus, neues Datum, fertig“, Schublade auf: Krammarkt ´raus, neues Datum, fertig. – Keine neuen Ideen zur Belebung der Innenstadt, alles Schubladenkonzepte. Diese Kritik, nur zur Betonung, richtet sich nicht gegen die Akteure, die diese Events veranstalten.

Dann die Konzepte, die da wären:

•    Wirtschaftswegekonzept
•    Mobilitätskonzept
•    Einzelhandelskonzept
•    Parkraumkonzept
•    Klimaschutzkonzept, um nur einige zu nennen

Konzepte, wohin das Auge reicht. Aber wie sieht das der Bürger? Er sieht eine innerstädtische Baustellenlandschaft. Beton statt Bäume, fängt zwar auch mit „B“ an, ist aber ganz was anderes. Händler und Kunden beklagen gleichermaßen die verlorene Einkaufsqualität in der Innenstadt. Zumindest zur Steigerung der Aufenthaltsqualität haben wir ja den neu gestalteten Schlosspark, wo man sich nach einem erfolglosen Einkaufserlebnis und langer Parkplatzsuche in Ruhe per Smartphone eine neue Einkaufsstadt aussuchen oder im Internet bestellen kann.

Der Schutz unseres Klimas ist ebenfalls in einem Klimaschutzkonzept hinterlegt. Es wird aber nur halbherzig umgesetzt, weil man sich scheut, den Bauherren oder Investoren konkrete Klimaschutzmaßnahmen daraus vorzuschreiben, stattdessen empfiehlt man freundlich. Viele Projekte, da sind wir wieder beim Zug „Stadt Coesfeld“ haben Verspätung. Aber bei den ganz Konzepten und deren Umsetzungen spielt ein Faktor auch ein wichtige Rolle - Personal

Es sind viele Stellen nicht besetzt, so dass bereits jetzt bekannt ist, dass z. B. im Jahr 2020 von 63 Maßnahmen der Prioritätenliste Bauen und Planen 30 im nächsten Jahr nicht umgesetzt werden können. Das Resultat einer falschen Personal- und Finanzpolitik.

Um Missverständnissen vorzubeugen:

Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadtverwaltung gebührt ein großes Lob. Sie machen trotz Arbeitsverdichtung, Fluktuation und hausgemachtem Personalmangel ihre Arbeit sehr gut. Danke dafür!

Ein gleicher Dank geht an alle Bürgerinnen und Bürger, die in Coesfeld ehrenamtlich tätig sind, ohne sie würde einiges nicht laufen, herzlichen Dank für ihr Engagement.

Wie sagte ein Teilnehmer unserer Klausurtagung so treffend: „Der vorliegende Haushaltsplan ist die Fortsetzung der Verwaltung vergangener Missstände“.

Während sich unser Bürgermeister auch in seinen Wahlkämpfen damit rühmte, die Schulden reduziert zu haben, stieg im selben Atemzug der Instandhaltungsstau. Die Kommune ist gesetzlich verpflichtet wirtschaftlich zu handeln, ohne Frage, das bedeutet aber nicht sich kaputt zu sparen, sondern eine Balance zu schaffen, zwischen Investitionen und Instandsetzung von Infrastrukturvermögen. Zu spätes Handeln erfordert jedoch höhere Investitionen und belastet den Bürger zusätzlich. Genauso wie das eben dargelegte Personalproblem, weil unter Umständen Fristen versäumt werden, um an Fördergelder zu kommen und die Stadt letztendlich Investitionen alleine stemmen muss.

Wer jahrelang in seinen Haushaltsreden und der Abstimmung Verantwortung für die vergangenen Haushalte übernommen hat, muss sich jetzt auch der Verantwortung für die zukünftige Herausforderungen stellen.

Auch wenn Pro Coesfeld voll und ganz hinter den anstehenden Investitionen steht, stimmen wir diesem Haushalt nicht zu. Es fehlt ihm weiterhin an Nachhaltigkeit, an Ideen, an strategischer Priorisierung und Zielvereinbarungen sowie konsequenter Durchsetzung z. B. beim Thema Klimaschutz.

Pro Coesfeld übernimmt Verantwortung und arbeitet im nächsten Jahr und für den neuen Haushalt 2021neue Konzepte aus, denen konkrete Anträge folgen werden, und zwar.

•    verbindliche Festschreibung konkreter Maßnahmen aus dem Klimaschutzkonzept unter Raffung des geplanten Zeitfensters
•    Überlegungen zu einem flexibleren Flächenmanagement in der Bauleitplanung (s. Desaster mit Grundstücken für KiTas)
•     ein strukturiertes, langfristig gesichertes Personalentwicklungskonzept (was eigentlich eine permanente Aufgabe des Verwaltungschefs sein sollte, sofern er über das notwendige Personal verfügt)

Zur Kommunal- und Bürgermeisterwahl im nächsten Jahr hoffen wir auf ein offenes Rathaus, auf frischen Wind in der Verwaltungsführung für eine schnellere und bessere Umsetzung bürgerlicher Ansprüche.

Die erste Weiche dafür ist gestellt. Wir wünschen uns als Zug „Stadt Coesfeld“ endlich einen rasanten ICE, der Coesfelds Bürgerinnen und Bürger mitnimmt, wir wünschen Konzepte ohne Verspätung und keinen zusammengekuppelten, Patina ansetzenden Verwaltungs- und Parteiexpress mit einer offensichtlich zu groß dimensionierten Bremseinheit.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Günter Hallay


Es gilt das gesprochene Wort